Österreich: Neue Gesellschaftsform: Die Flexible Kapitalgesellschaft im Überblick

Seit 01.01.2024 gibt es in Österreich mit der „Flexiblen Kapitalgesellschaft“ eine neue Gesellschaftsform. Damit soll insbesondere Bedürfnissen von Startups und Gründer:innen Rechnung getragen werden. Doch auch außerhalb der Startup-Szene kann die Wahl der Rechtsform einer Flexiblen Kapitalgesellschaft eine interessante Option sein. Selbst für bereits bestehende GmbH kann die Umwandlung in eine Flexible Kapitalgesellschaft attraktiv sein. In diesem Newsletter verschaffen wir Ihnen einen ersten Überblick und beantworten die wichtigsten Fragen zur Flexiblen Kapitalgesellschaft.

Inhaltsübersicht


Was ist eine Flexible Kapitalgesellschaft?

Die Flexible Kapitalgesellschaft (auch „FlexKapG“, „FlexCo“ oder „Flexible Company“) ist eine neue Gesellschaftsform. Möchte jemand eine Gesellschaft gründen, kann dies somit zukünftig auch in Form einer Flexiblen Kapitalgesellschaft erfolgen. Die bisherigen Gesellschaftsformen (insbesondere Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Offene Gesellschaften und Kommanditgesellschaften) bleiben daneben weiterhin bestehen.

Verankert wurde die Flexible Kapitalgesellschaft im Flexible-Kapitalgesellschafts-Gesetz (FlexKapGG). Soweit im FlexKapGG keine abweichenden Regelungen getroffen werden, sind auf die Flexible Kapitalgesellschaft die für Gesellschaften mit beschränkter Haftung geltenden Bestimmungen anzuwenden. Dementsprechend weist die Flexible Kapitalgesellschaft eine große Nähe zur GmbH auf. Das schafft in vielen Bereichen Rechtssicherheit und Klarheit.

Wie hoch ist das Mindeststammkapital einer Flexiblen Kapitalgesellschaft?

Das Mindeststammkapital einer Flexiblen Kapitalgesellschaft beträgt EUR 10.000. Auf die bar zu leistenden Einlagen müssen zumindest EUR 5.000 geleistet werden. Da im Zuge der Einführung der Flexiblen Kapitalgesellschaft auch das Mindeststammkapital der GmbH generell (von EUR 35.000) auf EUR 10.000 reduziert wurde, besteht insofern zwischen Flexibler Kapitalgesellschaft und GmbH kein Unterschied.

Die Stammeinlage eines Gesellschafters/einer Gesellschafterin muss bei der Flexiblen Kapitalgesellschaft mindestens EUR 1 betragen (im GmbH-Recht beträgt die Mindeststammeinlage hingegen EUR 70). Bei Unternehmenswert-Anteilen (siehe dazu noch unten) gilt sogar lediglich eine Grenze von einem Cent. Das ermöglicht geringere Beteiligungen als bei der GmbH – vor allem für Mitarbeiterbeteiligungen ist diese Möglichkeit wichtig.

Wie erfolgt die Gründung einer Flexiblen Kapitalgesellschaft?

Die Gründung einer Flexiblen Kapitalgesellschaft ist vergleichbar mit der Gründung einer GmbH:

Zunächst ist der Abschluss eines Gesellschaftsvertrages erforderlich. Dieser bedarf der Form eines Notariatsaktes. Sofern die Geschäftsführer:innen nicht direkt im Gesellschaftsvertrag bestellt werden, ist ein Gesellschafterbeschluss zur Bestellung der Geschäftsführer:innen erforderlich. Dieser Beschluss muss notariell beglaubigt unterfertigt werden. Die Geschäftsführer:innen haben eine (notariell beglaubigte) Musterzeichnung abzugeben und die Errichtung der Flexiblen Kapitalgesellschaft – unter Nachweis der Einzahlung der Stammeinlagen – beim Firmenbuch anzumelden. Das Firmenbuchgesuch bedarf der notariell beglaubigten Unterschrift sämtlicher Geschäftsführer:innen.

Wie bei einer GmbH ist aber auch bei einer Flexiblen Kapitalgesellschaft eine „vereinfachte elektronische Gründung“ möglich: Eine solche kommt in Frage, wenn (i) die Gesellschaft nur einen Gesellschafter hat, der zugleich einziger Geschäftsführer sein soll, (ii) das Stammkapital EUR 10.000 beträgt und darauf EUR 5.000 geleistet werden und (iii) der Gesellschaftsvertrag (Errichtungserklärung) lediglich einen bestimmten Mindestinhalt aufweist. Der Gesellschaftsvertrag (Errichtungserklärung) bedarf dann nicht der Form eines Notariatsaktes. Die Abgabe der Musterzeichnung erfolgt über das Kreditinstitut, bei dem die Stammeinlage einbezahlt wird. Die Firmenbuchanmeldung erfolgt über das Unternehmensserviceportal (USP).

Welche Organe sind bei einer Flexiblen Kapitalgesellschaft vorgesehen?

Organe einer Flexiblen Kapitalgesellschaft sind jedenfalls die Geschäftsführung und die Generalversammlung. In gesetzlich näher definierten Fällen (wie insbesondere bei Vorhandensein von mehr als 300 Arbeitnehmern) ist ein Aufsichtsrat einzurichten. Diese Fälle entsprechen grundsätzlich jenen, bei denen auch eine GmbH einen Aufsichtsrat einzurichten hat. Darüber hinaus muss bei einer Flexiblen Kapitalgesellschaft aber auch dann ein Aufsichtsrat eingerichtet werden, wenn diese zumindest eine „mittelgroße Kapitalgesellschaft“ im Sinne des Unternehmensgesetzbuches ist. Dies ist dann der Fall, wenn eine Flexible Kapitalgesellschaft zumindest zwei der folgenden drei Merkmale überschreitet:

  • EUR 5 Millionen Bilanzsumme,
  • EUR 10 Millionen Umsatzerlöse,
  • Jahresdurchschnitt von 50 Arbeitnehmern.

Weitere Organe (wie zB ein Beirat) können freiwillig eingerichtet werden.

Wie können die Gesellschafter:innen einer Flexiblen Kapitalgesellschaft Beschlüsse fassen?

Wie bei einer GmbH können die Gesellschafter einer Flexiblen Kapitalgesellschaft Beschlüsse in Generalversammlungen oder auf schriftlichem Weg fassen. Generalversammlungen können – bei Vorhandensein einer gesellschaftsvertraglichen Grundlage – nach Maßgabe des Virtuelle Gesellschafterversammlungen-Gesetz (VirtGesG) auch virtuell abgehalten werden.

Soll die Abstimmung auf schriftlichem Weg erfolgen, müssen grundsätzlich sämtliche Gesellschafter:innen dieser Form der Beschlussfassung zustimmen. Jeder Gesellschafter/jede Gesellschafterin kann somit schriftliche Beschlussfassungen blockieren. Anders als im GmbH-Recht kann der Gesellschaftsvertrag einer Flexiblen Kapitalgesellschaft jedoch vorsehen, dass für eine Abstimmung auf schriftlichem Weg das Einverständnis sämtlicher Gesellschafter:innen nicht erforderlich ist. Der Gesellschaftsvertrag einer Flexiblen Kapitalgesellschaft kann zudem vorsehen, dass bei schriftlichen Beschlussfassungen anstelle der Schriftform (= Unterschrift) die Textform ausreichend ist. Möglich sind somit beispielsweise die digitale Unterfertigung eines Beschlusses oder die Stimmabgabe per E-Mail (wobei das E-Mail am Ende den Absender/die Absenderin nennen muss).

Die formalen Anforderungen an die schriftliche Beschlussfassung führen bei GmbH in der Praxis mitunter zu Fehlern, die oft erst bei Streitigkeiten im Gesellschafterkreis oder im Zuge von M&A-Transaktionen aufkommen, dann aber problematisch werden können. Der gesellschaftsvertragliche Gestaltungsspielraum bei schriftlichen Beschlussfassungen in der Flexiblen Kapitalgesellschaft bringt somit wesentliche und vor allem praxisrelevante Erleichterungen im Vergleich zum GmbH-Recht.

Kommt einem Gesellschafter/einer Gesellschafterin einer Flexiblen Kapitalgesellschaft mehr als eine Stimme zu, muss er seine Stimmen darüber hinaus nicht einheitlich ausüben. Das heißt, dass er nicht mit sämtlichen Stimmen eine Ja- oder Nein-Stimme abgeben bzw sich der Stimme enthalten muss, sondern beispielsweise mit einem Teil seiner Stimmen „Ja“ und mit dem anderen Teil „Nein“ stimmen kann. Relevant ist das zB dann, wenn ein Gesellschafter/eine Gesellschafterin einen Teil des Geschäftsanteils für einen Treugeber/eine Treugeberin hält und der Treugeber/die Treugeberin für den treuhändig gehaltenen Anteil ein anderes Stimmverhalten wünscht, als der Treuhänder/die Treuhänderin für seine/ihren eigenen Anteil. Für das GmbH-Recht ist hingegen strittig, ob und unter welchen Voraussetzungen eine uneinheitliche Stimmabgabe zulässig ist. Die klare Aussage des FlexKapGG ist daher zu begrüßen.

Welches Formerfordernis besteht für die Übertragung eines Geschäftsanteils an einer Flexiblen Kapitalgesellschaft?

Anders als die Übertragung eines GmbH-Geschäftsanteils bedarf die Übertragung eines Geschäftsanteils an einer Flexiblen Kapitalgesellschaft keines Notariatsaktes. Ausreichend ist, wenn ein Notar/eine Notarin oder ein Rechtsanwalt/eine Rechtsanwältin eine Urkunde darüber errichtet. Diese Art der Urkunde stellt eine neue Kategorie der Formpflicht dar.

Dasselbe gilt im Übrigen für die Übernahme von neuen, im Rahmen von Kapitalerhöhungen geschaffenen Geschäftsanteilen.

Die Abschaffung der Notariatsaktspflicht für Anteilsübertragungen war eine langjährige Forderung vieler Praktiker:innen. Auch wenn sie von manchen kritisiert wird, ist sie doch eine erhebliche Erleichterung, reduziert Transaktionskosten und macht die Flexible Kapitalgesellschaft vor allem auch für internationale Investoren attraktiv.

Was sind Unternehmenswert-Anteile?

Dabei handelt es sich um eine der wesentlichsten Neuerungen. Der Gesellschaftsvertrag einer Flexiblen Kapitalgesellschaft kann die Ausgabe von Unternehmenswert-Anteilen vorsehen. Dabei handelt es sich um Anteile, die einen Anspruch auf Teilhabe am Bilanzgewinn und an einem allfälligen Liquidationserlös verschaffen. Unternehmenswert-Inhaber sind auch zur Teilnahme an Generalversammlungen berechtigt. Ein Stimmrecht ist mit Unternehmenswert-Anteilen hingegen – sofern im Gesellschaftsvertrag nicht anders vorgesehen – grundsätzlich nicht verbunden. Unter Umständen bedürfen jedoch Gesellschafterbeschlüsse, die eine Änderung der Rechte der Unternehmenswert-Beteiligten oder eine Umwandlung von Unternehmenswert-Anteilen in Geschäftsanteile bewirken, der Zustimmung aller davon betroffenen Unternehmenswert-Beteiligten. Darüber hinaus kommen Unternehmenswert-Inhabern – im Vergleich zu „herkömmlichen“ Gesellschafter:innen – nur eingeschränkte Informations- und Einsichtsrechte zu.

Unternehmenswert-Anteile eignen sich somit insbesondere zur Ausgabe an Mitarbeiter:innen. In diesem Zusammenhang ist auch auf eine steuerliche Neuerung hinzuweisen: Bisher wurden an Mitarbeiter:innen ausgegebene Kapitalanteile auf deren Ebene sofort – und unabhängig von einer (Weiter-)Veräußerung der Anteile durch die Mitarbeiter:innen – einer Besteuerung unterzogen. Die Mitarbeiter:innen mussten somit unter Umständen Steuern abführen, ohne gleichzeitig einen Liquiditätszufluss aus der Veräußerung der Anteile zu haben („dry income“). Für den Fall der unentgeltlichen Ausgabe von Anteilen an Mitarbeiter:innen von (im Gesetz näher definierten) „Startups“ ist nunmehr vorgesehen, dass die Besteuerung nicht sofort, sondern erst bei Eintritt bestimmter Umstände (insbesondere bei Veräußerung der Anteile durch den Mitarbeiter/die Mitarbeiterin) erfolgt. Daneben erfolgt die Besteuerung pauschal zu 75% mit einem festen Satz von 27,5%. Die restlichen 25% werden mit dem regulären Tarif besteuert.

Die Stammeinlagen der einzelnen Unternehmenswert-Beteiligten müssen (abweichend von der sonst geltenden Grenze von EUR 1) zumindest einen Cent betragen. Damit werden sehr kleinteilige Beteiligungen ermöglicht, was besonders im Fall von komplexeren Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen mit vielen Teilnehmer:innen und einem Anwachsen der Beteiligungen im Zeitverlauf hilfreich sein kann.

Für die Übernahme sowie die Übertragung von Unternehmenswert-Anteilen reicht die Einhaltung der Schriftform – in diesem Fall ist nicht einmal eine anwaltliche oder notarielle Urkunde erforderlich.

Unternehmenswert-Inhaber werden nicht namentlich als Gesellschafter:innen im Firmenbuch eingetragen. Die Geschäftsführung hat jedoch hinsichtlich der Unternehmenswert-Inhaber ein Anteilsbuch zu führen.

Die Unternehmenswert-Anteile dürfen nur in einem Ausmaß ausgegeben werden, das 25% des Stammkapitals nicht erreicht.

Werden Unternehmenswert-Anteile ausgegeben, ist im Gesellschaftsvertrag zwingend vorzusehen, dass die Unternehmenswert-Beteiligten ein Mitverkaufsrecht haben, wenn die Gründungsgesellschafter:innen ihre Geschäftsanteile mehrheitlich veräußern.

Das GmbH-Recht kennt Unternehmenswert-Anteile nicht.

Besteht bei Flexiblen Kapitalgesellschaften die Möglichkeit „bedingter Kapitalerhöhungen“ und von „genehmigtem Kapital“?

„Bedingte Kapitalerhöhungen“ und „genehmigtes Kapital“ waren bisher Aktiengesellschaften vorbehalten. Das FlexKapGG eröffnet diese Kapitalmaßnahmen nun auch für Flexible Kapitalgesellschaften. Von Relevanz ist dies insbesondere für die Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen bzw. Wandeldarlehen, die bei der GmbH bislang komplexer vertraglicher Regelungen als „Workaround“ bedurften.

Was sind die wesentlichen Vorteile einer Flexiblen Kapitalgesellschaft im Vergleich zu einer GmbH?

Die Rechtsform der Flexiblen Kapitalgesellschaft weist im Vergleich zur GmbH zahlreiche Vorteile auf. Zu nennen sind insbesondere

  • die geringere Mindeststammeinlage eines Gesellschafters in Höhe von EUR 1 (im Vergleich zu EUR 70 bei einer GmbH),
  • die Möglichkeit, im Gesellschaftsvertrag Erleichterungen für schriftliche Beschlussfassungen vorzusehen,
  • die Möglichkeit der uneinheitlichen Stimmabgabe,
  • die fehlende Notariatsaktspflicht für die Übertragung von Anteilen,
  • die Möglichkeit, Unternehmenswert-Anteile auszugeben sowie
  • flexiblere Kapitalmaßnahmen (bedingte Kapitalerhöhung, genehmigtes Kapital).

Einige dieser Vorteile könnten die Rechtsform der Flexiblen Kapitalgesellschaft auch für bestehende GmbH interessant machen.

Als Nachteil ist der Umstand anzuführen, dass bereits bei „mittelgroßen“ Flexiblen Kapitalgesellschaften ein Aufsichtsrat einzuführen ist. Zudem besteht – wie immer bei Betreten von rechtlichem „Neuland“ – ein gewisses Maß an Rechtsunsicherheit, das sich im Laufe der Zeit durch Gerichtsentscheidungen abbauen wird.

Kann eine bestehende GmbH in eine Flexible Kapitalgesellschaft umgewandelt werden?

Bestehende GmbH können in die Rechtsform einer Flexiblen Kapitalgesellschaft umgewandelt werden. Im Gesetz ist hierzu ein relativ einfaches Verfahren vorgesehen. Erforderlich ist im Wesentlichen ein Generalversammlungsbeschluss, der grundsätzlich mit einer Mehrheit von drei Viertel der abgegebenen Stimmen gefasst werden kann. In der Folge ist der Umwandlungsbeschluss zum Firmenbuch anzumelden.

Fazit

Mit der Flexiblen Kapitalgesellschaft wurde eine neue Gesellschaftsform geschaffen, die viele interessante Neuerungen mit sich bringt. Die Flexible Kapitalgesellschaft soll vor allem den Anforderungen von Startups Rechnung tragen. Die Ausgestaltung der Flexiblen Kapitalgesellschaft führt jedoch dazu, dass die neue Gesellschaftsform auch für Gründer:innen außerhalb der Startup-Szene eine überlegenswerte Alternative zu den bestehenden Rechtsformen ist. Sogar für bestehende GmbH kann eine Umwandlung in eine Flexible Kapitalgesellschaft attraktiv sein. Zurückzuführen ist das insbesondere auf flexiblere Kapitalmaßnahmen, erleichterte Formvorschriften für Anteilsübertragungen, mögliche Erleichterungen bei schriftlichen Beschlussfassungen und die Möglichkeit, stimmrechtslose Unternehmenswert-Anteile auszugeben.

 




Autor: Bernhard Gonaus
Autor: Sebastian Hütter
Autor: Lukas Leitner